Auf Initiative von Regina Heng wurde vor 30 Jahren zum ersten Mal frühinstrumentaler Trompetenunterricht an Dr. Hoch’s Konservatorium/Ffm angeboten. Damit stellte sich das Konservatorium an die Spitze einer Bewegung, die damals noch teilweise belächelt wurde, aber zunehmend Bedeutung im instrumentalpädagogischen Alltag erlangte.
Der Unterricht mit den ganz Jungen erfordert eine andere pädagogische Herangehensweise als der Unterricht mit älteren Kindern oder Erwachsenen – ein Umstand, der auch heute in der pädagogischen Ausbildung immer noch vielfach unterrepräsentiert ist. Anlässlich des Jubiläums haben wir mit der Pionierin des frühinstrumentalen Trompetenunterrichts Regina Heng gesprochen.
Nmz: Gab es einen besonderen Anlass, der dich bewogen hat, dich mit frühinstrumentalem Unterricht auseinander zu setzen?
Es war damals ein absolutes „No go“ mit ca. 6 Jahren Trompete zu lernen. Es hieß, das sei erst nach dem Zahnwechsel möglich. Kinder wurden bis dahin mit der Blockflöte vertröstet- und waren oft sehr enttäuscht, weil sie ja eigentlich ein Blechblasinstrument erlernen wollten.
Ich fand das sehr schade und habe deshalb einen Weg gesucht, der es jungen Kindern ermöglicht, Trompete zu lernen. Damit betrat ich Neuland. Es gab weder Unterrichtsliteratur noch methodische Konzepte.Was ich im Sinn hatte war eine Herangehensweise, mit der Kinder auf spielerische Weise mit ihrer bläserischen und musikalischen Ausbildung beginnen können.
Nmz: Was ist dran an der Aussage, dass ein Unterricht erst nach dem Zahnwechsel sinnvoll sei. Wie sind deine Erfahrungen?
An die Geschichte mit dem Zahnwechsel habe ich nie geglaubt. Bei einer guten Blastechnik entsteht kein schädlicher Druck auf die Zähne.Übrigens habe ich noch nie erlebt, dass eine Zahnlücke SchülerInnen Probleme bereitet hat.
Nmz: In deiner Schule „Auf dem Schlauch geht’s auch“, der ersten Trompetenschule für den frühinstrumentalen Unterricht, wird eine Trompete aus einem Gartenschlauch eingesetzt. Ist dies didaktisch bedingt oder gibt es schlicht kein geeignetes Kinderinstrument?
Die Schlauchtrompete eignet sich hervorragend als Anfangsinstrument, da sie Kinder nicht durch Größe und Gewicht überfordert – im Gegensatz zur B-Trompete oder einem anderen Blechblasinstrument. Das führt sonst unweigerlich zu Problemen mit Haltung und Atmung.
Mit der Schlauchtrompete spielen wir mit einer Naturtrompete, Das fördert automatisch ein sensibles Spiel mit guter Luftführung, Lippenspannung und Zungenlage.
Daneben setze ich das Signalhorn ein. Es wiegt wenig und klingt gleich nach richtiger Trompete. Beide Instrumente haben noch keine Ventile. So kann die Konzentration der Kinder voll beim Blasvorgang und beim Hören sein. Später erfolgt der Wechsel zu Taschentrompete oder Kornett, die wegen ihrer kürzeren Bauweise besser von Kindern zu halten sind.
Nmz: Wie unterscheidet sich dein frühinstrumentaler Unterricht vom Unterricht mit älteren Schülern?
Die Voraussetzungen, die die ganz Jungen in puncto Entwicklungsstand mitbringen, sind einfach andere – physisch und psychisch. Das hat Konsequenzen für die Unterrichtsgestaltung.
Jüngere Kinder haben z.B. eine begrenzte Aufmerksamkeitsspanne. Unterrichtsphasen sollten deshalb kurz und abwechslungsreich sein. Ideal ist hier die Einbeziehung aller Sinne und der Wechsel von ruhigen Phasen und Phasen der Bewegung. Kinder haben einen großen Bewegungsdrang.
Bei kleinen Kindern läuft Lernen noch sehr unbewusst ab: Sie lernen durch Nachahmung und am besten lernen sie, wenn das Lernen mit Spiel verbunden ist. Im Spiel sammeln sie Erfahrungen, probieren aus und suchen Lösungen. Das ist eine sehr lustvolle Form des Lernens.
Lernen durch Entdecken, Bewegung und mit allen Sinnen ist aber in jeder Altersstufe ein wichtiges Arbeitsprinzip, um lebendiges, kreatives, effizientes und nachhaltiges Lernen zu fördern.
Eine Unterrichtsituation mit kleinen Kindern kann z.B. so aussehen: Wir spielen „Von der Burg blasen“: Wir stehen an unterschiedlichen Stellen des Unterrichtsraumes und „rufen“ uns mit unserem Instrument zu. Wir schicken uns die Töne mit dem Instrument, nur mit Luft oder mit Lippensummen. Manchmal laufen wir und bringen die Töne, die Luft oder unser Lippensummen zum Mitspieler. (Je nachdem, was nötig ist, um den Klang zu verbessern.) Die Kinder bemerken, dass ihr Ton danach anders („klarer, schöner“) klingt.
Den ganzen Raum zu nutzen sorgt dafür, dass die Haltung aufgerichtet ist und der Raum automatisch in die Tonvorstellung miteinbezogen wird. Schüler entwickeln so ein inneres Bild von sich beim Blasen: „Ich stehe da wie ein König, der von der Burg ruft, dann klingt mein Spiel schön“
Nmz: Wie hat sich der frühinstrumentale Blechbläserunterricht in den vergangenen 30 Jahren verändert? Welche Entwicklungen konntest du beobachten?
Große Teile meiner Vision sind inzwischen selbstverständlich geworden. Der Unterricht beginnt jetzt zunehmend früher. Musikschulen müssen Unterrichtsangebote schaffen und Lehrkräfte sind auf der Suche nach methodischen Anregungen und gangbaren Wegen. Der Bedarf an Know-how ist aber nach wie vor groß.
Nmz: Du bietest Fortbildungen für den frühinstrumentalen Blechbläseruterricht an. Welche Schwerpunkte setzt du dabei?
Ich biete ganz praktische Hilfen für einen kindgerechten, effizienten und lebendigen Unterricht an.
Die Entwicklung von Ansatz, Atmung und Blastechnik ist natürlich ein zentrales Thema. Ebenso die Entwicklung der musikalischen Ausdrucksfähigkeit und die Gestaltung und Förderung von Lernprozessen.
Die TeilnehmerInnen erfahren, wie Schlauchtrompete und Signalhorn zum Zentrum der bläserischen und musikalischen Entwicklung werden. Dabei stelle ich Spiele, Übungen und Arbeitsweisen vor, die alle ausprobieren und sofort im Unterrichtsalltag umsetzen können.
Ich will etwas von meiner Begeisterung für die Arbeit mit den Kleinen weitergeben. Es ist so wichtig, dass der Anfang gelingt! Die methodischen Fähigkeiten dazu möchte ich vermitteln.
Interview:Uta Gabriela Schneppat