Nicht erklären, sondern spüren und selbst entdecken heißt dabei das Arbeitsprinzip. Bewegung, Erforschen, Entdecken, Wege suchen und selbst Lösungen finden sind die methodischen Leitgedanken gleichermaßen für Unterrichts- und Seminargestaltung. Unterrichtssituationen sollten so aufgebaut werden, dass die Neugier der Lernenden wachgehalten und ihre Kreativität angeregt wird. Durch entsprechende Aufgabenstellungen können blastechnische und musikalische Vorgänge oder Bewegungsabläufe zunächst selbst erspürt und beobachtet werden, um daraus eigene Erkenntnisse zu gewinnen. In Übungen mit und ohne Instrument werden die Wechselwirkungen von Bewegung, Atmung, Spielgefühl und Klang erforscht. In Feldenkraislektionen können die Lehrkräfte mehr über die Bewegungszusammenhänge ihres Körpers erfahren. Die gemachten Erfahrungen verändern den Blick auf Schülerinnen, Schüler und Unterrichtssituationen und daraus entstehen neue Handlungsmöglichkeiten.
Wer einschränkende Haltungs- oder Bewegungsmuster bei Lernenden erkennt, so die Idee, kann ein Problem wirklich da bearbeiten, wo es entstanden ist und den eigenen Schülerinnen und Schülern so zu günstigen Erfahrungen verhelfen. Dabei geht es immer darum, den organischsten, das heißt ökonomischsten Weg zu finden. Damit das Spielen mühelos und klangvoll wird, müssen Spiel- und Bewegungsabläufe von minimalem Aufwand und gleichzeitig hoher Effizienz gekennzeichnet sein.
Aller Anfang ist leicht
Die ersten Erfahrungen mit dem Instrument sind prägend, und in den ersten Unterrichtsstunden entscheidet sich, ob das Gefühl für die Tonerzeugung mit Leichtigkeit verbunden ist. Die ersten Erfahrungen mit der Tonerzeugung sollten spielerisch und ohne Erklärungen stattfinden können. Beispielsweise sorgen Atemspiele mit Papierbällen dafür, dass die Atmung auf natürliche Weise angeregt wird und eine lockere freudige Atmosphäre entsteht, in der Schülerinnen und Schüler nicht unter den Druck geraten, sofort einen Ton produzieren zu müssen. In diese Atemspiele wird dann das Mundstück mit einbezogen, der Papierball auf dem Boden von einem zum anderen geblasen und meist entsteht dann ganz von selbst der erste Ton. Fragen von Seiten der Lehrkraft, etwa „hast du gespürt, was da passiert ist?“ oder „wo hast du etwas gefühlt?“ helfen, die Lernenden selbst entdecken zu lassen, dass die Lippenvibration für die Entstehung des Tones verantwortlich ist. Manchmal sind noch zusätzliche kleine Übungen nötig, um die Schwingung der Lippen anzuregen, aber das Arbeitsprinzip bleibt: Unterrichtssituationen schaffen, in denen sich gewünschte Vorgänge quasi von selbst einstellen, und zusätzlich durch Fragen die Aufmerksamkeit auf das lenken, was die Schülerinnen und Schüler entdecken sollen. Mit dieser Arbeitsweise schulen Lehrkräfte schon von Anfang an die differenzierte Wahrnehmung. Spüren und Hinhören sind die Grundlage für die gesamte weitere bläserische Entwicklung.
Da sich Atmung und Ansatz nicht isoliert vom restlichen Körper betrachten lassen, steht die Beschäftigung mit der Wechselwirkung zwischen Körperhaltung, Atmung, Spielgefühl und Klang immer im Zentrum der methodischen Arbeit. Der Stand und die Körperhaltung sind für ein müheloses Trompetenspiel von großer Bedeutung, denn wenn die Füße das Körpergewicht an den Boden abgeben können, hat das Auswirkungen auf die Flexibilität des Oberkörpers, die Lockerheit des Kiefers und somit auf freie Atmung und Klangentfaltung. In Feldenkraislektionen können deshalb die Themen „Beweglichkeit des Oberkörpers, Gewicht an den Boden abgeben und Körperaufrichtung“ bearbeitet werden. Auf allen Vieren geht es dabei um Gewichtsverlagerung, Balance finden und die Koordination zwischen Becken- und Schulterbewegung. Am Ende stehen die meisten sehr gut auf dem Boden, von manchen wird es als „verwurzelt“ beschrieben. Und wenn sie danach ihr Instrument spielen, stellen viele fest, wie positiv sich dieses Standgefühl auf Leichtigkeit und Klangentfaltung beim Spielen auswirkt.
Auf spielerische Weise kann man auch den Stand der Schülerinnen und Schüler im Unterricht stabilisieren. Dabei geht es immer darum, zu entdecken: Wie spüre ich den Kontakt meiner Füße zum Boden? Welchen Einfluss hat das auf mein Spielgefühl und welche Auswirkungen auf den Klang? Eine Möglichkeit ist zum Beispiel, beim Spielen nur auf einem Bein zu stehen. Das sorgt dafür, dass sehr gut ausbalanciert werden muss, um das Gleichgewicht zu halten. Dadurch bekommt der Fuß einen besseren Kontakt zum Boden. Wenn die Lernenden danach wieder auf zwei Füßen stehen, ist ihr Stand stabiler.
Bewegung und ungewohnte Positionen
Das Instrument in einer ungewohnten Position zu spielen, kann ebenfalls sehr hilfreich sein, wenn es darum geht, blockierende oder einschränkende Muster bewusst zu machen und zu durchbrechen. Eine Tätigkeit anders auszuführen als gewohnt, hilft Dinge zu spüren, die vorher nicht gespürt wurden. So können Angewohnheiten bewusst gemacht und ein müheloseres Spielgefühl erreicht werden, zum Beispiel indem man im Liegen Trompete spielt. Auf dem Rücken liegend, sind Haltungsmuster wie Hohlkreuz, durchgedrückte Knie oder ein auf die Brust gedrücktes Kinn nicht möglich. Die Folge ist ein entspannter Oberkörper, ein freier Kehlbereich und ein klangvolleres Spiel. Diese Erfahrungen können dann aufs Spielen im Stehen übertragen werden.
Generell spielt Bewegung eine wichtige Rolle bei der Entwicklung bläserischer Fähigkeiten. Sie verhindert ein Fest-werden, regt die Atmung an und wirkt einer zu hohen Körperspannung entgegen, die sich ungünstig auf Atmung und Artikulation auswirken kann. So kann ganzkörperliche Bewegung helfen, die Beweglichkeit der Zunge und den Luftfluss anzuregen. Im Unterricht kann dies beispielsweise so aussehen, dass die Schülerinnen und Schüler umhergehen und dabei Artikulationssilben sprechen, ein rhythmisches Motiv nur mit Luft darstellen, oder einfach ihr Instrument spielen. Durch die Bewegung wird verhindert, dass Zunge und Luft festgehalten werden. Besonders wirkungsvoll ist es auch, wenn man beim Spielen rückwärts läuft. Das ist im ersten Moment sehr ungewohnt, führt aber immer wieder zu der Feststellung, dass die Zunge so „erstaunlich leicht und flüssig“ läuft.
Warum das so ist, kann wieder besonders gut in Feldenkraislektionen erlebt werden, wenn man sich intensiv mit der Art und Weise des Zusammenspiels von Kopf, Kiefer, Brustkorb und Becken beschäftigt und der Frage nachspürt, welche Auswirkungen die Qualität dieses Zusammenspiels auf die Flexibilität der Zunge und der Atmung hat. Da Becken und Kopf über die Wirbelsäule miteinander verbunden sind, hat die Beweglichkeit des Beckens nämlich immer auch Auswirkungen auf die Beweglichkeit von Kopf, Kiefer und Zunge. Da sich beim Rückwärtslaufen die Wirbelsäule automatisch aufrichtet, kann sich der Kiefer nicht mehr so leicht verspannen und die Zunge wird beweglicher. Das heißt, das Problem eines festgehaltenen Unterkiefers und einer blockierten Zunge kann durch entsprechende Übungen mit Blick auf die Beweglichkeit des Beckens und die Verbesserung des Stands gelöst werden.
Auch wenn es um musikalische Gestaltung geht, steht das Entdecken als Arbeitsprinzip im Mittelpunkt. Sich so bewegen, als ob man durch heißen Sand läuft, schreiten wie ein König oder schleichen wie eine Katze – all das muss erst körperlich erprobt werden, bevor man überlegen kann, mit welchen musikalischen Mitteln sich die unterschiedlichen Bewegungsarten auf dem Instrument darstellen lassen. Dynamik und Artikulation bekommen eine andere Qualität, wenn sie an das eigene Erleben gekoppelt sind. Genauso können Charaktere eines Stückes mit Bewegung, Gestik oder Mimik dargestellt werden. Schülerinnen und Schüler immer wieder dazu anzuregen, sich auf der körperlichen Ebene mit ihren eigenen Ausdrucksmöglichkeiten auseinanderzusetzen, ist die beste Voraussetzung dafür, sich auch mit dem Instrument musikalisch ausdrücken zu können.
Impulse geben und beobachten
Wenn Unterrichtssituationen so gestaltet werden, dass die Lernenden selbst spüren und herausfinden können, wie etwas am besten geht, werden Lehrkräfte zu Impulsgeber/-innen für und zu Begleitern von Lernprozessen. Sie schaffen die Bedingungen für den nötigen Erfahrungsprozess, indem sie sich motivierende Zugangswege ausdenken, beim Erkunden der verschiedenen möglichen Wege begleiten, beobachten, wie sich die Schülerinnen und Schüler mit den Lerninhalten auseinandersetzen und ihnen bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten helfen. Hierzu ist eine Grundhaltung erforderlich, die gekennzeichnet ist von Vertrauen in die Fähigkeiten der Lernenden, von Vertrauen, dass diese in der Lage sind, Sachverhalte selbst zu entdecken. Dadurch entsteht automatisch ein Lernklima, in dem sich die Schülerinnen und Schüler gesehen und verstanden fühlen.